Himmel, ist die Frau schön, wenn sie tanzt und vor allem beseelt vor sich hinlächelt - man sieht sie sonst meist eher mit abweisendem Blick, damit die falschen Ritter nicht auf die Idee kommen ihre Burg erobern zu wollen...
Man will sie in ganz feines Seidenpapier einpacken, mit einem Spezialtransport eskortiert und Hubschrauber bewacht abtransportieren und als Tanzfigur in einer gut gesicherte und optimal beleuchtete Vitrine stellen, dazu drumherum einen Palast bauen, denn eben in einen solchen gehört diese wunderschöne Göttin.
Um ehrlich zu sein: wegen dieser Frau hab ich meine Pläne geändert. Wegen dieser Frau bin ich einen Tag eher als geplant in Richtung Westen gedüst. Die AWL behauptete, sie würde an jenem Tag im Sündenpfuhl zu Elsdorf verweilen, aber nicht am Tag darauf, an dem ich eigentlich das Babylon besuchen wollte.
Nein, sie hat keinen abweisenden Blick. Mich hat sie stets freundlich angeschaut... so freundlich, wie eine Hure auf Akquise nur schauen kann. Sie hat nicht dieses Anknipslächeln wie manche ihrer Kolleginnen, sie lächelt verhalten, eher von innen heraus.
Mich hat sie stets angelächelt. War ich, bin ich der richtige Ritter? Habe ich ihre Burg erobert?
Nein. Wenn ich ein Ritter bin, dann einer der traurigen Gestalt, und ihre Burg habe ich auch nicht erobert. Sie ist viel zu stolz, als dass sie irgendeinen von uns ihre Burg erobern lassen würde. Aber sie war für mich da, sie schenkte mir ihr Lächeln und verkaufte mir ihre Zeit. Stunden, zu wenige Stunden, die ich nicht vergessen werde, weil sie zu den ganz besonderen Stunden gehören, die ich im Rotlicht erleben durfte.
Ich war in Dutzenden Läden wie das Babylon einer ist, ich hatte Hunderte ihrer Profession. Viele habe ich vergessen, doch an einige wenige werde ich mich stets erinnern. Weil sie mich berührt haben, jede auf ihre Art: Halin, Fatima, Viola, Betsy, Rebecca, Micky, Nikita...
Und Mariana.
Die Hohe Schule
Die Hohe Schule der Puffrezeption
Ich bezieh den mir zugewiesenen Spind. Obere Reihe, so ist es recht. Ich bin so halb durch mit meiner Kramerei dortselbst, da steht plötzlich ein frisch geduschter Kollege neben mir.„Sag mal, wie lange bist Du schon hier? “
„Pffff… fünf Minuten? “
„Unglaublich, da bin ich kurz vor Dir rein. Wieso bekommen wir benachbarte Fächer? “
Die Hohe Schule der Puffrezeption: eincheckende Gäste so verteilen, dass die sich nicht unnütz in der Umkleide ins Gehege kommen.
„Hallo. Ich will nicht stören…“
Ein weiterer Kollege, noch in zivil, mischt sich in das Gespräch ein.
„Lass mich raten: Du hast diesen Schrank hier? “
Ich deute auf das Fach neben meinem. Der Kollege nickt.
Die Hohe Schule der Puffrezeption eben.
Rituale
Ich mach zuallererst meine Saunarunde, da gibts kein Vertun. Die Schwitzkammer hat 80 Grad, mehr scheint im Babylon nicht üblich zu sein. Beim Schwitzen kann ich schon mal ein paar Blicke in den Garten werfen: Gut Betrieb, alle Liegen scheinen belegt, ein paar Grazien präsentieren ihre entzückenden Körper der Mittagssonne.Nach der Sauna ein paar Runden im Pool. Mein Problem: wo lass ich den Schlüssel? Ich könnte mir das Band um das Handgelenk oder den Arm wickeln, klar, kein Thema. Dummerweise wäre das Band dann für den Rest des Tages klamm, und das wäre eher suboptimal. Also parke ich das Bändchen am Rand des Pools auf einem Handtuch und hoffe, dass sich niemand auf meine Nummer eine Flasche Puffbrause aufschreiben lässt…
Die Hohe Schule des Wiedererkennens
Die erste Nummer will ich mit Mariana machen. Nur wegen ihr bin ich schließlich heute schon hier. Ich muss sie nur finden und, vor allem, wiederkennen. Bei meinem üblen Personengedächtnis keine triviale Aufgabe. Eher die Hohe Schule des Wiedererkennens.Mein Lieblingsplatz ist frei, so ist es recht. Kurz nach mir bezieht eine Dienstleisterin das Sofa direkt daneben. Ich spüre ihre Blicke und spanne selbst mal vorsichtig: doch, das könnte Mariana sein…
Ganz sicher bin ich mir aber nicht. Ich beherrsche sie nicht, die Hohe Schule des Wiedererkennens.
Die Hohe Schule der unaufdringlichen Akquise
Von der anderen Seite des Raumes aus bin ich Ziel einer Fernakquise.„Säääks? “,
brüllt es durch den Saal. Die zur Brüllquäke gehörende Grazie spreizt ihre Beine und befummelt angelegentlich ihr Vergnügungszentrum. Vielleicht tut sie ja auch nur so.
Ich geh nicht weiter darauf ein und interessiere mich statt dessen intensiv für das Fernsehprogramm. Die Dienstleisterin, die Mariana sein könnte, grinst sich eins.
Noch einmal brüllquäkt es
„Säääks? “,
und dieses Mal schüttele ich den Kopf, damit Ruhe wird. Anfängerfehler: Das hätte ich besser nicht gemacht. Frau Brüllquäke weiß jetzt nämlich, dass ich ihre Anmache zur Kenntnis genommen habe.
„Ich brauche Orgasmen. Leck meine Klitoris! “
Kopfschütteln oder Fernsehprogramm?
Brüllquäke nimmt mir die Entscheidung ab und stolziert auf mich zu. In meinem Kopf braust Musik auf: Wagner, Tanz der Walküren…
Ja, die Apokalypse naht mit wiegenden, stampfenden Schritten, doch ich mach gute Miene zum bösen Spiel, als sich Melanie - diesen Namen spuckt mein Personengedächtnis angesichts einer speziellen Tätowierung alsbald aus - auf meinem Schoß platziert und lasziv bewegt. Sie nimmt meine Hände und will sie zu ihren Brüsten führen. Freundlicherweise ist sie mir an Körperkraft unterlegen.
„Willst Du Sex mit mir? “
Nein, noch immer nicht. Du beherrschst sie nicht, die Hohe Schule der unaufdringlichen Akquise.
Die Hohe Schule des Wiedererkennens 2
Die Klingel schellt, es kommt Bewegung in die Damen. Nach vorn zur Rezi… Mich freut das, sogar sehr, denn auch die Dienstleisterin, die Mariana sein könnte, rafft sich auf.Mich freut das, denn wenn sie zurückkommt, werde ich sie erkennen…
Ich erkenne sie!
Ich beherrsche sie nicht, die Hohe Schule des Wiedererkennens, aber ich kann mir Dinge merken. Und an diesen Dingen erkenne ich sie.
„Hast Du mich wiedererkannt! “
Wie man es nimmt. Du aber beherrschst sie offenbar, die Hohe Schule des Wiedererkennens. Oder Du tust wenigstens so.
Ach, egal. Komm, nimm mich in den Arm.
[Fortsetzung folgt]