Wortherkunft:
Das deutsche Wort
Sexismus ist ein
Anglizismus, der als Übersetzung des englischen Wortes
sexism entstand.
Das englische Wort
sexism ist ein
Neologismus, der von Pauline M. Leet im Rahmen ihres Vortrags „Women and the undergraduate“ (deutsch: Frauen vor dem ersten akademischen Abschluss) am 18. November 1965 geprägt wurde
[3][4]. Sie war damals Professorin am Franklin & Marshall College in
Lancaster,
Pennsylvania:
„Wenn Sie behaupten (…) dass, da weniger Frauen gute
Poesie schreiben, dies ihre vollständige Ausgrenzung rechtfertigt, nehmen Sie eine Position ein, die der des Rassisten entspricht – ich könnte Sie in diesem Fall als 'Sexisten' bezeichnen (…). Sowohl der Rassist als auch der Sexist tun als wenn alles, was passiert ist, niemals passiert wäre und beide treffen Entscheidungen und ziehen Schlüsse über den Wert einer Person, indem sie sich auf Faktoren beziehen, die in beiden Fällen irrelevant sind.“ Pauline M. Leet, 1965
[5]
Die Wortneuschöpfung
sexism ist eine Parallelbildung zum Begriff
racism (
Rassismus), der sich ebenfalls in dieser Zeit weltweit verbreitete, um der Diskriminierung
ethnischer Gruppen entgegenzuwirken. Schriftlich wurde der Begriff erstmals am 15. November 1968 von der amerikanischen Autorin Caroline Bird (1915–2011) verwendet.
„Im Ausland wird anerkannt, dass wir in vielerlei Hinsicht ein sexistisches Land sind. Sexismus beurteilt Menschen nach ihrem Geschlecht, wenn Sex nicht wichtig ist. Sexismus soll mit Rassismus reimen. Beide haben die an der Macht gehalten, die an der Macht sind. Frauen sind ebenso oft Sexisten wie Männer. Frauen, die gute Arbeit bekommen, tun es, indem sie den Sexismus ausschöpfen. Sie überreden den Chef, dass die Intuition einer Frau benötigt wird. Oder dass Frauen mehr Aufmerksamkeit auf Details legen. Sie wissen es nicht, aber sie benutzen die sexistischen Argumente, um Vorurteile zu umgehen. Es ist sexistisch zu fragen: Könnten wir jemals eine Frau Präsidentin werden? In Indien fragen sie nicht, weil sie eine Frau als Regierungschefin haben. Die Frage ist ähnlich wie: 'Möchten Sie, dass Ihre Tochter einen Neger heiratet? ' Nun, da Ihre Tochter es tun könnte, fragen Sie nicht. Es ist sexistisch zu fragen: 'Was können Frauen tun, um Gewalt in Amerika zu beenden? ' Frauen sind nicht besser als Männer, Gott sei Dank, und es ist sexistisch zu verlangen, dass sie die gesamte Bevölkerung adeln. Sexismus ergab Sinn, als die einzige Möglichkeit für eine Frau ihren Lebensunterhalt zu verdienen, darin bestand, eine Ehefrau zu werden, und eine Ehefrau zu sein, brachte für sie alle Schwangerschaftsrisiken während ihrer gebärfähigen Jahre mit sich. Aber es ergibt keinen Sinn, wenn eine Frau die Kontrolle über die Schwangerschaft hat.“ Caroline Bird, 1968
[6]
Der Begriff
sexism setzte sich in der US-amerikanischen
Frauenbewegung der 1960er Jahre schnell durch. Er ist an sich geschlechtsneutral, stand aber lange ausschließlich für die Abwertung von Frauen und auch die Forschung konzentrierte bis auf Ausnahmen lange auf Sexismus gegenüber Frauen. Mittlerweile wird davon ausgegangen, dass Sexismus auch Männer sowie
transsexuelle und
intersexuelle Personen sowie
Transgender betrifft. Als zentrale Dimension des modernen Sexismus wird die bewusste oder unbewusste Nicht-
Anerkennung (vgl.
Abwehrmechanismus) fortgesetzter Diskriminierung von Frauen verstanden.
[7]
Der wesentlich ältere Begriff
Misogynie bezieht sich dagegen ausschließlich auf die Abwertung von Frauen, Weiblichkeit bzw. Nicht-Männlichkeit innerhalb
androzentrischer Machtverhältnisse. In der Forschung wird der Begriff Misogynie weiter verwendet, allerdings dominiert der Begriff Seximus als Schlüsselbegriff geschlechtsbasierter Diskriminierung.
Deutscher Begriff Sexismus: Missverständlichkeit und Bedeutungsverengung
Wie bei etlichen
Anglizismen führt die direkte Übernahme eines
englischen Begriffs ins
Deutsche zu einem
Bedeutungswandel – in diesem Fall führt die Übernahme des englischen Wortes
sexism als deutsches Wort
Sexismus zu einer Bedeutungsverengung. Denn im Gegensatz zum Englischen bedeutet das Wort
Sex in der deutschen Alltagssprache nicht ‚(biologisches) Geschlecht‘, sondern ‚Geschlechtsverkehr, sexuelle Betätigung, Sexualität‘
[8]. Die Nachsilbe
-ismus steht für eine Geisteshaltung
[9] (Beispiele:
Kapitalismus,
Liberalismus,
Sozialismus,
Militarismus,
Anarchismus,
Dualismus). Die Wortbildung „Sex-ismus“ legt im Deutschen also das Missverständnis nahe, dass Sexismus für eine auf Geschlechtsverkehr fokussierte Geisteshaltung steht
[10] bzw. es ausschließlich um Diskriminierung auf der Basis von
Sexualität (
sexuelle Nötigung,
sexualisierte Gewalt,
sexueller Missbrauch) geht.
Das Nebeneinander des weiteren englischen Begriffs
sexism und des verengten deutschen Begriffs
Sexismus begünstigt Missverständnisse und erschwert im Deutschen die Aufklärung und Kommunikation über geschlechtsbezogene Diskriminierung. Die Bedeutungsverengung des deutschen Wortes
Sexismus verdeckt insofern einen erheblichen Teil der geschlechtsbezogenen, nicht-sexuellen Diskriminierungsaspekte, die der englische Begriff benennt. Deutschsprachige Aufklärung über Sexismus muss insofern stets gegen die Bedeutungsverengung anarbeiten, die der deutsche Sexismusbegriff
semantisch mit sich bringt.